Mittwoch, 4. November 2015

3. Kapitel



„Natürlich!“, bestätigte meine Oma sofort und dieses Mal konnte ich nicht einmal genervt sein. Um unsere Geschichten zu retten, würde ich noch einmal das ganze NaNo-Land bereisen und sogar erneut den Schwertreitern gegenübertreten, wenn es sein musste.
„Ich bin dabei!“ Blue hatte wieder ein Funkeln in den Augen, das dieses Mal glücklicherweise nichts mit Essen zu tun hatte. Immerhin hatte er noch ein bisschen Ehrgefühl.
„Ich mach auch mit“, meinte Hannes. „Alles ist besser als Erzierungsunterrricht mit den Kornprinzen.“
Mr. Ian Woon schenkte ihm einen mitleidigen Blick. Als König des NaNo-Landes hatte er so etwas vielleicht auch hinter sich.
„Hier geht es um unsere Geschichten. Das lasse ich mir nicht entgehen“, entschloss ich mich.
„Mäh“, machte Freundschaf und begann dann wieder auf der Tischdecke zu kauen.
„Dann wäre das beschlossene Sache.“ Mr. Ian Woon sah schon jetzt ein wenig entspannter aus. „Ich werde alles in die Wege leiten, um euch zu helfen so gut es mir möglich ist. Habt ihr noch die Gedankenspinnen und die Katze?“
Allein bei dem Gedanken an die Spinnen schauderte ich, doch meine Oma nickte. Blue hatte eine Spinne behalten und sie hatte eine bekommen. Ich hatte gerne darauf verzichtet und mich damit rausgeredet, dass ich eh mit meiner Oma zusammenwohnte und wir dieselbe Spinne benutzen konnten, wenn wir wollten. Ich wollte nie. Handys waren soviel praktischer.
„Bekommen wir wieder Priorität beim Menschenversand?“ Blue sah aus als würde das der Höhepunkt seines Tages werden. Mir lief gleich noch ein Schauer den Rücken herunter. Menschliche Röhrenpost war einfach nichts meins.
„Tut mir leid, aber die Wächter des Großen Roten Knopf des Verderbens und die Mitarbeiter des Gesunden Menschenversands gehören zur selben Gewerkschaft und haben beschlossen gleichzeitig zu streiken. Ihr werdet den FF nehmen müssen.“
„Den was?“, erkundigte sich Blue.
„Den FF. Den Fakir-Ferkehr.“
Das hörte sich nicht nur lächerlich, sondern auch ominös an. Aber viel schlimmer als der Gesunde Menschenversand konnte das auch nicht sein. Hoffte ich zumindest.
Mr. Ian Woon schnappte sich einen Bürger, der gerade vorbeilief und anscheinend die Gallerie hatte besichtigen wollen und schickte ihn Papier holen. König des NaNo-Landes zu sein schien auch Vorteile zu haben, selbst wenn der Job größtenteils aus zeremoniellen Pflichten bestand, denn der Bürger erkannte Mr. Ian Woon sofort und überschlug sich geradezu in seiner Eile dem Befehl Folge zu leisten. Das Papier benutzte er dazu uns ein Dokument mit seiner Unterschrift zu schreiben, das versicherte er würde dafür aufkommen, wenn wir von irgendjemandem Hilfe brauchten.
„Eine Sache gibt es da noch. Es wäre gut, wenn ihr Steph dazu bringen könntet eure Geschichte fortzusetzen. Es könnte von Vorteil sein mit seinem Autor kommunizieren zu können. Vielleicht könnt ihr die Handlung beeinflussen, wenn etwas schiefgeht.“
„Wir haben sie seit einer Weile nicht mehr gesehen. Seit Ende November, um genau zu sein“, erklärte Oma.
Man konnte Mr. Ian Woon ansehen wie er das Gleichgewiss verlor. Er war sich ganz offensichtlich nicht mehr gewiss, ob unsere Gruppe bereit für noch eine Mission war.
„Wir schaffen es schon sie an Land zu bringen.“ Beim Gedanken an Omas Zusicherung, dass mir Fluffles als Folgeband noch einmal über den Weg laufen könnte, begann ich zu grinsen. „Und ich habe auch schon eine Idee wie.“
Die anderen sahen mich nur verwirrt an, doch Mr. Ian Woon schien beruhigt zu sein.
„Wunderbar! Dann wäre das geklärt. Ich habe meinem Chauffeur gesagt er soll euch zuerst nach Hause fahren, damit ihr ein paar Sachen für die Reise zusammenpacken könnt und dann zum Fakir-Ferkehr. Kontaktiert mich per Gedankenspinne sobald ihr euch am Großen Roten Knopf des Verderbens versucht habt.“
Wir beschlossen sofort aufzubrechen. Es sah ganz so aus als könnte dies der Beginn eines neuen Abenteuers sein und genau das war es, was ich brauchte, um Steph zurückzuholen. Sie musste ja nicht mal ins NaNo-Land kommen. Wie sie letztes Mal bewiesen hatte, konnte sie auch von der Realität aus unsere Geschichte schreiben. Solange sie nicht wieder einen von uns in Hefe ersticken ließ, konnte das ja nur gut enden.
„Was ist jetzt dein super Plan?“, fragte Blue sobald wir in Mr. Ian Woons Auto saßen.
„Oh, damit er funktioniert müssen wir eigentlich nichts weiter machen als das, was wir eben schon beschlossen haben. Falls es wirklich stimmt, dass wir Stephs Geschichte sind, wäre das hier Teil 2, richtig?“
„Ja…“ Hannes sah noch nicht ganz überzeugt aus. Er hatte es sich auf meiner Schulter bequem gemacht und ich musste ein wenig schielen, um seinen Kopf sehen zu können. „Aber was hat das mit irgendwas zu tun?“
„Siehst du denn nicht, dass das hier nichts anderes ist als der Beginn einer neuen Geschichte? Und das bedeutet, dass Steph gerade vermutlich eh von einem Plotbunny über uns belagert wird. Das einzige, was wir machen müssen, ist, die Geschichte voranzutreiben. Je mehr Druck wir machen, desto eher meldet sie sich, entweder, weil sie unsere Geschichte schreiben möchte, oder, weil sie uns bitten will sie in Ruhe zu lassen. So oder so werden wir wohl bald von ihr hören.“
Alle sahen mich mit großen Augen an, anscheinend immer noch nicht ganz überzeugt. Ich hatte mich mittlerweile mit der Tatsache abgefunden zwar real, aber gleichzeitig auch ein Charakter in einer Geschichte zu sein. Seinen Autor persönlich zu kennen, half ein bisschen, fand ich.
Nacheinander wurden wir zu unseren Wohnungen gefahren. Der einzige, der nicht in der Nähe wohnte, war Hannes, doch der versicherte uns, dass er sowieso nicht viel brauchte. Ein paar Fliegen als Proviant wären nicht schlecht, meinte er – was mich dazu veranlasste getrocknete Mücken in einer Tierhandlung zu kaufen.
Auf dem Weg zum Fakir-Ferkehr, was auch immer das genau sein mochte, wurde meine Vorhersage schließlich wahr.
„Leute!“, ertönte eine Stimme aus dem Nirgendwo, die den Chauffeur so sehr zusammenfahren ließ, dass das Auto kurz die Spur wechselte, bevor es mit einem Schlingern wieder auf der richtigen Seite der Fahrbahn landete. „Muss das sein? Ein Band 2? Das hatte ich eigentlich nicht geplant…“
„Hi, Steph! Lange nichts gehört“, grinste ich nur.
„Zwei Wochen Ruhe habt ihr mir gegönnt. Zwei! Und jetzt sitzt ihr mit Reisegepäck in einem Auto und seid auf dem Weg nach… zum Großen Roten Knopf des Verderbens? Wer hat sich denn den bescheuerten Namen ausgedacht?“
„Deus ex Machina“, begann meine Oma. „Das ist…“
„Ach ist doch auch egal. Was ich eigentlich sagen wollte: Lasst mich in Ruhe! Ich bin immer noch mit meiner NaNo-Geschichte beschäftigt. Ihr hattet Recht was das angeht; das hat mir einen richtigen Schub gegeben. Aber noch ein Plotbunny kann ich beim besten Willen nicht gebrauchen.“
„Aber wir brauchen dich!“, widersprach Hannes. „Wenn irgendetwas schief geht, kannst du uns aus der Situation rausschreiben!“
„So funktioniert das aber nicht! Ihr habt doch gesehen was beim letzten Mal passiert ist.“
Meine Oma kratzte sich an der Nase und rückte ihren lila Samthut zurecht. Oder eher ihr Händchen rückte ihn zurecht. „Schaden tut es bestimmt nicht…“
„…sagte die Frau mit der immer noch abgetrennten Hand“, konterte Steph. "Ich habe es nicht mal geschafft dir die zurückzuschreiben."
„Touché. Nicht, dass es mich sonderlich stören würde. Außerdem schreit das nach einem Band 2, in dem das geklärt wird.“
Es war eine Weile still. Der Chauffeur warf immer wieder Blicke in den Rückspiegel, vermutlich eher weniger, um den Verkehr zu beobachten, als mehr unsere Gesichter zu studieren. Außerdem sah er sich öfter nach allen Seiten um, als würde er nach Steph Ausschau halten. Viel Glück dabei.
„Okay, Leute. Ein Band. Aber die Geschichte wird kürzer als die erste. Und ich kann nicht versprechen, dass ich sie fertig schreibe. Vielleicht seid ihr am Ende auf euch alleine gestellt. Außerdem, solltet ihr die Geschichte aus eigener Kraft in irgendeine komische Richtung lenken, lege ich jegliche Verantwortung ab!“
„Deal.“
Blue sah mich ein wenig entgeistert an, doch das bestätigte mich eher in meiner Entscheidung.
„Dann hätte ich noch eine Frage, Steph. Da du offensichtlich die Autorin dieser Geschichte bist… was genau ist der Fakir-Ferkehr?“ Diese Frage hatte mir auf der Zunge gelegen seit Mr. Ian Woon den FF erwähnt hatte.

„Der?“ Ich meinte einen Hauch von Genugtuung in ihrer Stimme hören zu können. In meinem Bauch machte sich ein flaues Gefühl breit und Blue warf mir einen gehetzten Blick zu. „Das ist ein Fliegender Teppich Service."
"Cool!"
Blue jedoch stöhnte. "Sagte sie gerade fliegende Teppiche?"
Ach ja, da war ja was. Höhenangst. 

1 Kommentar:

  1. Ach ja, der FF... ich hoffe ich hab mit dem Auflacher gerade eben nicht das ganze Haus geweckt. Mmh... gute Kombination von Mia, aber ob sie irgendwann erfahren wird das auch Steph nur ein Charakter in dieser Geschichte ist wie sie? Schönes Kapitel auf jeden Fall und ich freu mich schon auf die Flugszene! Auch wenn ich mich schon vor nem halben Jahr darüber kaputtlachen konnte ;)

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