Sonntag, 8. November 2015

8. Kapitel



„Iiih! Iiih, igitt, ich habe eine Fliege verschluckt!“, rief Blue und begann wie wild sich mit einer Hand die Zunge abzuwischen. „Zum Teufel nochmal! Ich hasse diese Teppiche!“
„Ich dachte du bist so ein Vielfraß…“, murmelte ich.
„Ja, aber das hier ist eindeutig Hannes‘ Domäne! Fliegen stehen nicht auf meiner Speisekarte!“
„Schuldig im Sinne der Anklage“, grinste Hannes.
„Manchmal sind die Fliegen hier völlig unvorhersehbar", meinte der Fakir nur. „Lasst lieber eure Münder zu.“
Nachdem wir Mr. Ian Woon Bericht erstattet hatten wie es uns im Froschungslabor ergangen war, waren wir sofort mit dem FF weitergeflogen. Die Leute, die die Nonnen interviewen sollten, hatten sich ebenfalls auf den Weg gemacht und wir hofften bald Ergebnisse zu haben. Bis dahin waren wir auf dem Weg zu der Ecke, an der man am ehsten an Informationen kommen konnte – die Drachenschenke. Einen kleinen Zwischenstopp mussten wir davor allerdings einlegen.
„Da! Ich sehe es schon!“
Ich lehne mich so weit über den Teppichrand, dass Blue mich entsetzt zurückzog und aussah als würde er sich, wenn nicht wegen der Fliege, dann vor Angst um mich übergeben wollen.
Von hier oben sah der Sonnenschrein unheimlich klein aus. Bei meinem ersten Besuch war er mir so eindrucksvoll erschienen. Allerdings musste man anmerken, dass ich seitdem eine Menge vom NaNo-Land gesehen hatte. An die Wandernde Bibliothek kam sowieso nichts heran.
Sobald wir festgestellt hatten, dass wir kopfüber in einen neuen Auftrag gestolpert waren, hatten wir uns gedacht, dass man die Glücksbringer-Robben für diese Mission mit Sicherheit gebrauchen konnte. Wenn man jemals für etwas Glück gebraucht hatte, dann war es die Erhaltung der NaNo-Geschichten. Außerdem vermisste ich meine süße kleine Robbe jetzt schon. Die waren ja nach der Erfüllung unseres letzten Auftrags einfach verschwunden.
Der Fakir steuerte den Teppich auf ein freies Stück Wiese (davon gab es hier ja genug) und wir stiegen ab. Blue sah aus als würde er am liebsten den Boden küssen wollen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Schade. Mein Handy hatte ich bereits gezückt. Das Foto wäre sofort auf Facebook gelandet - oder ich hätte ihn für alle Zeit damit erpresst.
Mich wunderte nicht, dass uns die Priesterin wieder am Eingang des Sonnenschreins erwartete. Letztes Mal hatte sie ebenfalls gewusst, dass wir auftauchen würden. Ich sah es einfach mal als gutes Zeichen dafür, dass wir die Robben vermutlich wiederbekommen würden.
„Willkommen zurück!“, begrüßte sie uns. „Ich wollte euch dazu beglückwünschen, dass ihr die Plotbunnyinvasion so heldenhaft beendet habt. Das war eine meisterliche Arbeit. Ich hoffe die Robben haben euch gute Dienste geleistet.“
„Das haben sie in der Tat“, bestätigte meine Oma. „Genau deshalb sind wir hier. Wir haben uns gefragt, ob die heiligen magischen Robben der Götin Sheba uns ein weiteres Mal Beistand leisten können. Dieses Mal sind wir auf einer Mission, die Verwandtschaf von Freundschaf zu finden, in der Hoffnung, dass sie die Tragödie um den Großen Roten Knopf der Verderbens aufhalten können.“
Wow. Meine Oma konnte wirklich gut geschwollen reden. Das mussten die Charaktere in meinen Geschichten noch lernen. Ich selbst konnte darauf allerdings gut verzichten.
„Folgt mir. Ihr könnt euch eure Robben aussuchen.“
Das hatte ja besser geklappt als ich gedacht hatte. Wir folgten der Priesterin in den Tempel. Dieses Mal führte sie uns noch tiefer hinein, was vielleicht bdeutete, dass sie uns mehr vertraute. Wir landeten in einem Raum mit einem riesigen Wasserbecken, in dem sich mehrere Robben tummelten. Ich entdeckte sofort meine, die angeschwommen kam, um mich zu begrüßen und sich als Willkommensgruß um meine Schultern wickelte und eine Robe wurde.
„Ich hab dich auch vermisst, meine Kleine“; murmelte ich und strich ihr über das Fell.
Oma hatte ebenfalls ihre treue Robbe gefunden, die sich passgenau als Robe über ihrem Mantel ausbreitete. Normalerweise müsste es komisch aussehen so viele Schickten Kleidung zu tragen, doch eine magische Eigenschaft der Robben schien zu sein, dass sie immer gut aussahen. Oder zumindest nicht total bescheuert. Es würde wohl immer ein wenig seltsam aussehen in einer Robbe statt einer Robe herumzulaufen.
Nur Blue hatte anscheinend Schwierigkeiten sich für eine Robbe zu entscheiden. Für gefühlte Stunden stand er vor dem Wasserbecken voller Roben und konnte sich nicht entscheiden, welches dieser Prachtstücke er anziehen sollte. Seine Robbe hingegen schien ihn nicht vergessen zu haben und erbarmte sich nach einer Weile.
Nur Hannes saß ein wenig verloren neben dem Becken. „In meiner Größe gibt es glaube ich keine“, meinte er. „Außerdem braucht ein Frosch eh keine Kleidung.“
Das war wieder einer der Momente, in denen er so verloren aussah, dass ich ihn am liebsten Umarmen wollte. Allerdings gestaltete sich das auch etwas schwierig. Frösche zu umarmen war nicht so einfach wie es klingen mochte. Küssen wollte ich ihn auch nicht. Ihm falsche Hoffnungen zu machen wäre unfair.
Wir verließen den Tempel und zum ersten Mal bemerkte ich, wie der Zahn der Zeit am Tempel gejagt hatte. Ein gigantischer Zahn rannte – wie genau er rannte wusste ich nicht, denn ich konnte keine Beine erkennen – um das steinerne Gemäuer herum, auf der Jagd nach Vögeln und kleinen Nagetieren. Ein paar tote Mäuse lagen bereits im Gras.
„Was ist das denn?“, fragte ich und deutete auf den Zahn.
„Das ist der Zahn der Zeit. Er holt uns alle irgendwann ein. Gewöhn dich lieber an den Anblick, Mia.“
An den Anblick wollte ich mich lieber nicht gewöhnen. Zeit hatte gefälligst unsichtbar zu sein, oder sich in Form eines Uhrwurms zu zeigen. Immerhin wusste ich wie man mit denen umgehen musste, um sie wieder loszuwerden.
Die nächste Überraschung wartete, als eine weitere Priesterin aus dem Tempel trat.
„Das ist unsere Oberin, die Priestetin“, murmelte die Priesterin uns zu. „Anscheinend will sie euch begrüßen. Das ist eine große Ehre.“
Dann war uns unser Ruf also auch bis hierher vorausgeeilt. Daran konnte ich mich glatt gewöhnen.
„Priestetin klingt irgendwie wie Pastete“, murmelte Blue.
Ich warf ihm einen warnenden Blick zu. Er mochte Recht haben, aber das war unhöflich. Vor allem, da uns die Priestetin mit einem warmen Lächeln bedachte.
„Willkommen in unserem Sonnenschrein. Ich hoffe die Robben werden euch auf eurer weiteren Reise begleiten und euch helfen. Falls euer Plan die Verwandtschaf von Freundschaf zu finden aufgeht, würdet ihr damit dem ganzen NaNo-Land einen großen Dienst erweisen.“
Meine Oma neigte andächtig den Kopf und ich machte es ihr schnell nach. Das hörte sich vielversprechend an.
„Es ist schön zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die sich um andere sorgen. Ich habe es erst letztens selbst miterlebt, als ich einen verletzten Bürger beim Heuler aufgesucht habe. Er hat sich dabei verletzt den Heuler zu retten und dieser befindet sich nun in unserem Tempel.“
„Kommen da die neuen Robben her?“, fragte ich neugierig.
„Nicht zwingend. Sie können auch direkt von unseren Göttern hergestellt werden. Eine berühmte Gottheit bewahrt zum Beispielt in der Zwischendimension, wo er auch seine Nahrung lagert, über fünfzig meiner Robben auf, falls seine eigene deckig wird. Vor allem die deckigen Robben, also die, die sich fortpflanzen wollen, werden bei uns abgegeben, damit sie mit anderen ihrer Art zusammen sein können.“
Diese Einblicke in die Robbenentstehung waren wirklich mehr als interessant. Wenn ich schon beim Fragen war, konnte ich ja gleich noch etwas loswerden, das mich schon seit meinem letzten Besuch umgetrieben hatte.
„Was gibt es eigentlich sonst so für Götter im NaNo-Land?“
„Es gibt einen besonderen Glauben, bei dem man zu Gitt, anstatt Gott betet. Andere Völker sehen zum Beispiel die Gogo als eine Art Gottheit an – das ist eine Go-Go-tanzende Gorgo. Und dann gibt es noch die Dei Proteste.“
„Götter des Protests?“, fragte Blue.
Immerhin schien ich nicht die einzige zu sein, die von Religion nicht so viel Ahnung hatte.
„Vielleicht. Wir sind uns nicht ganz sicher, um ehrlich zu sein.“ Für einen Moment schien die Priestetin in Gedanken versunken zu sein. Dann fing sie sich wieder. „Ich wünsche euch jedenfalls alles erdenkliche Glück bei eurer Mission.
Ohne auf eine Antwort zu warten drehte sie sich so schwungvoll um, dass Blue beinahe von ihrer Robbe getroffen wurde.
„Die sollte wirklich etwas vorsichtiger sein“, grummelte er.
„Beschwer dich nicht. Die war echt nett.“ Ich kraulte meine Robbe unter dem Kinn und sie gab ein wohliges oi, oi, oi von sich.
Blue beäugte bereits wieder misstrauisch den Teppich. Dann jedoch seufzte er und setzte sich erstaunlicherweise ohne nervigen Kommentar auf das Gefährt.
„Kommt, beeilt euch. Bringen wir es hinter uns.“
Den ganzen Flug über klammerte er sich so doll am Teppich fest, dass seine Knöchel weiß unter seiner Haut hervortraten und er hielt die Augen geschlossen.

3 Kommentare:

  1. Die Nummer mit den Fliegen kommt mir bekannt vor... geht mir beim Mottoradfahren genauso und ja ich hab mich absichtlich verschrieben.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Was für ein Motto hat dein Rad denn? ;)

      Löschen
    2. Mein Rad heißt Lucy und hat das Motto... wir halten zusammen wie Pech und Schwefel.

      Löschen