Samstag, 7. November 2015

6. Kapitel



Einer der Pilzizisten löste sich aus der Menge und kam vor uns zum Stehen. „Sind Sie mit dem Schaf gekommen?“
Meine Oma nickte nur. Selbst sie starrte entgeistert auf das immer noch vollkommen ruhige Schaf.
„Würden Sie mir alle bitte folgen?“
Die Menge machte uns Platz, bis wir tiefer im Gebäude verschwanden, wo keine Unbefugten mehr erlaubt waren. Ein netter Warteraum war bereitgestellt worden
In der Mitte des Raumes befand sich ein Fisch, auf dem Hanteln und einige zerkitterte Zeitschriften lagen, sowie eine Schale Kekse. Was für eine seltsame Form für einen Tisch. An der Wand hing ein seltsames Gerät, das ich als Temperameter erkannte. Als ich das letzte Mal eins gesehen hatte, hatte meine Oma mir erklärt, dass es dazu diente das Temperament einer Person zu lesen.
"Kann ich Ihnen etwas anbieten? Musstee, oder Komitee vielleicht?", fragte der Beamte. "Und wollen Sie ihre Jacken vielleicht in der Gedarobe abgeben?"
Alle schüttelten den Kopf und er verschwand durch die Tür. Blue machte sich natürlich sofort über eine Schale Kekse her. Ich war ein wenig skeptisch, da sie organfarben waren - und das war ja wohl mehr als gruselig. Hannes verfolgte, ebenfalls hungrig, mit den Augen eine Stubenfliege, die sich auf einem der Fenster niedergelassen hatte. Das ging solange bis seine Zunge vorschnellte, um sie zu erwischen. Das Summen der Fliege, das einzige Geräusch im ganzen Zimmer, verstummte abrupt.
„Ist es wahr?“
Der Pilzmajor kam durch die Tür gestürzt. Die Enden seines Schnurrbartes zitterten und er war vor Aufregung ganz rot angelaufen. Ein wenig befürchtete ich, dass er vor lauter Freude explodieren würde und ich widerstand erfolgreich der Versuchung unter dem Tisch Schutz zu suchen.
„Ist einer von Ihnen gegen den Großen Roten Knopf des Verderbens resistent?“
„Ja. Freundschaf.“ Ich deutete auf das Schaf, das sich neben dem Tisch niedergelassen und in den weichen Teppich gekuschelt hatte. Seine Augen waren beinahe zugefallen. Es gähnte einmal und hob den Kopf, bevor es sich in einer neuen Position niederließ und sich danach nicht mehr rührte.
„Freund… schaf?“
„Ja. Das flauschige, weiße, wollige Etwas auf dem Teppich“, meinte Hannes genervt.
Der Pilzmajor sah immer noch sehr verwirrt aus. Nachdem sein Gehirn einige Zeit geraucht hatte, begannen sogar kleine Rauchwolken aus seinen Ohren aufzusteigen; er hatte eine leichte Ähnlichkeit mit einem Teekessel.
„Dann müssen wir es unbedingt rekrutieren! Es könnte die Lösung sein! Wir…“
„Haben Sie denn noch andere Leute gefunden, die immun gegen den Knopf sind?“, wollte ich wissen.
„Äh, nein, nicht wirklich…“
„Dann wird Ihnen auch Freundschaf nichts nützen. Wie sollte es denn 24 Stunden am Tag wach bleiben können?“, meinte meine Oma.
Ihre Logik war mal wieder unfehlbar. Auch der Pilzmajor musste es einsehen, was man daran erkannte, dass sein Schnurrbart aufhörte zu zittern und die Enden stattdessen traurig nach unten zu hängen schienen.
„Oh. Das ist natürlich eine Überlegung wert. Das ist… sehr unschön.“
„Allerding unschön“, meinte Hannes und beäugte eine Fliege, die zusammen mit dem Pilzmajor in den Raum gekommen war.
„Aber… was machen wir denn jetzt?“, stammelte der hohe Beamte. „Ich bin mit meinem Latein am Ende. Wenn wir nicht bald eine Lösung finden, steuern wir auf eine Katastrophe zu! Die Eyebros werden auch langsam unruhig. So viele Leute mussten sie noch nie überwachen und besonders jetzt, wo alle anderen streiken, ist die Belastung enorm!“
„Moment mal.“ Mir war eine verrückte Idee gekommen. Aber die letzte mit Steph hatte ja funktioniert, also war das hier vielleicht einen Versuch wert. „Wieveiele Eyebros gibt es? Wenn zwei gerade den Knopf bewachen, wer bewacht ihn dann, wenn die beiden schlafen?“
„Es sind vier Geschwister“, bestätigte der Major den ersten Teil meiner Theorie.
„Und alle sind die immun?“
„Ja. Worauf willst du hinaus?“ Der Major hatte angefangen das rechte Ende seines Bartes zu verzwirbeln.
„Das könnte bedeuten die Immunität könnte genetisch bedingt sein. Und das bedeutet falls wir Verwandtschaf von Freundschaf finden, wären die vielleicht auch immun und wir hätten genug Schafe, um den Knopf zu beschützen, bis die richtigen Wachen ihre Arbeit wieder aufnehmen können!“
Alle Anwesenden sahen mich an als wäre ich verrückt geworden. Ich selbst fand die Idee eigentlich nicht schlecht. Das war zumindest mehr als den anderen bisher eingefallen war. Und ich würde bestimmt nicht zulassen, dass die ganzen schönen Geschichten gelöscht wurden.
„Das könnte eventuell funktionieren.“ Pilzmajor sah nachdenklich auf Freundschaf, dem die ganze Diskussion egal war.
„Fragen wir mal Mr. Ian Woon“, schlug Hannes vor. „Mal sehen was der dazu meint.“
Meine Oma zog sofort ihre Gedankenspinne hervor, die dem Pilzmajor ein Japsen entlockte. Entweder mochte er Spinnen genauso wenig wie ich, oder die Dinger waren tatsächlich wertvoll.
„Warum können wir eigentlich keine Handy nehmen?“, murmelte ich und betrachtete das Knäuel mit viel zu vielen Beinen.
Mittlerweile wusste ich auf welche Gelenke der Spinne man drücken musste, um ein Gruppengespräch zu ermöglichen. Die blaue Kugel erschien schon bald über dem Viech und unsere Gedanken wurden verlinkt. Ich hielt meinen Ekel zurück und schickte stattdessen noch einmal meinen Gedankengang zu Freundschafs Verwandtschaf herum.
„Warum eigentlich nicht?“, dachte meine Oma als Antwort. „Sie hat Recht, das könnte tatsächlich funktionieren.“
„Aber hat Freundschaf überhaupt Verwandtschaf?“ Blue hatte immer noch einige Schwierigkeiten seine Gedanken zurückzuhalten und so bekamen wir alle seine Trauer darüber mit, dass die Kekse mittlerweile aufgegessen waren.
„Das könnten doch die Nonnen wissen!“, meinte Hannes. „Hattet ihr nicht erzählt die Nonnen vom Kloster der Wunder hätten euch Freundschaf übergeben? Die müssen doch wissen wo es herkommt, oder nicht?“
„Hallo?“ Mr. Ian Woons Gedanke unterbrach unsere Unterhaltung. „Wie ist es gelaufen?“, wollte er wissen.
„Freundschaf war immun“, kam der Gedanke von allen Umstehenden, außer dem angesprochenen Schaf, denn das lag schlafend neben dem Tisch.
„Freundschaf?“ Der Unterton seiner Gedanken war überrascht, was man ihm nicht verübeln konnte. Mit so einem Ergebnis hatte wohl niemand gerechnet.
„Mia hatte eine Idee was Freundschaf angeht“, dachte Oma. „Hören Sie zu.“
So schnell ich konnte schickte ich eine möglichst detailgetreue Wiedergabe meines Denkprozesses an Mr. Ian Woon, der in eine nachdenkliche Stille verfiel.
„Das hört sich eigentlich recht logisch an. Jedenfalls ist es besser als alles, was uns bisher eingefallen ist… Es könnte nicht schaden, wenn ihr diesem Gedanken nachgeht. Ich werde veranlassen, dass jemand die Nonnen aus dem Kloster befragt. Ihr reist währenddessen mit dem Fakir-Ferkehr zum Froschungslabor.“
Blues mentaler Aufschrei ließ alle zusammenzucken. „Bitte nicht der Fakir-Ferkehr! Der Typ fliegt wie ein Ferrückter!“
Das Temperameter an der Wand begann auszuschlagen; die Nadel war bereits im roten Bereich. Das schien Blue wirklich Probleme zu bereiten.
„Also ich finde er fliegt in Ordnung“, meinte ich pikiert.
Sich erst über mich und meine Abneigung gegen den Gesunden Menschenversand lustig machen und dann so ein Theater veranstalten. Ich schickte Blue speziell die Nachricht „wenn ich so oft mit dem Menschenversand fahren konnte, um das NaNo-land zu retten, kannst du ein paar Runden auf einem fliegenden Teppich aushalten, um die Geschichten zu beschützen.“
Ein Stöhnen in Gedanken ertönte, doch alle ignorierten es. Ein bisschen tat er mir schon leid. Andererseits… er hatte sich immer über mich lustig gemacht. Jetzt konnte ich wenigstens Gleiches mit Gleichem vergelten.
„Ähm… was genau sollen wir im Froschungslabor?“, lenkte Hannes das Thema zurück in die richtige Richtung.
„Die Wissenschaftler dort arbeiten gerade an einem Übesetzungsgerät für Tiere. Wenn man das auf Freundschaf anwenden könnte, könnte es uns selbst erzählen wo sich seine Verwandtschaf befindet.“
Das wäre tatsächlich die Lösung unseres Problems. Wenn man immer nur „Mäh“ verstand, konnte man keine vernünftige Unterhaltung führen. Und ich war mir recht sicher, dass Freundschaf intelligent genug für eine vernünftige Unterhaltung war. Meistens sah es aus und verhielt sich auch so wie ein normales Schaf. Dann wiederum gab es Ereignisse wie damals beim Könling, als es den in einen Geier verwandelten Könling zurückverwandelt hatte, oder als es zurückgelaufen war, um eine kleine Nase vor einem Drachen zu retten.
„Dann ist es beschlossene Sache. Wir starten Mission Freundschaf“, stöhnte Blue. „Auf einem fliegenden Teppich.“
Seine Gedanken drifteten wieder ab und wie taten unser Bestes ihn einfach zu ignorieren. Zum Glück war das auch schon das Ende des Gesprächs, was es uns ersparte weiter in Blues Gedanken zu verweilen, die mittlerweile eine Qualität angenommen hatten, die an Seekrankheit erinnerte. So etwas mitzuerleben führte dazu, dass einem fast selbst übel wurde. Nein danke.
Der Pilzmajor gab uns noch tausend Glückwünsche mit und bat uns, ihn auf dem Laufenden zu halten. 
Er selbst wurde von einem Pilzizisten geholt, der schreiend in den Raum gestürzt kam. "Herr Pilzmajor! Ein unbekanntest Flubobjekt ist auf dem Radar aufgetaucht!" 
Unbekannt bestimmt, denn ich konnte mir darunter nichts vorstellen.
"Da werde ich mich persönlich drum kümmern. Ich hoffe ihr entschuldigt mich", meinte er.
"Außerdem haben wir einen Klobold in der Damentoilette im Erdgeschoss", meldete der Pilzizist.
"Schon wieder? Wie schaffen es diese Kreaturen nur immer wieder durch die Abwasserrohre? Schick die Kloboldbeseitigungseinheit. Darum werde ich mich nämlich nicht persönlich kümmern."
Allerdings veranlasste er noch, dass man uns durch die Hintertür nach draußen schleuste, da viele Leute darauf warteten Freundschaf zu sehen und das unseren Abflug verzögern könnte. Der Fakir parkte ebenfalls hinten und bald waren wir wieder in der Luft.
„Ich brauche eindeutig mehr Spaß“, murmelte Blue müde. „Das hier macht keinen Spaß.“
„Den brauchst du zwar auch, aber zuerst schlaf dich mal aus.“ Tatsächlich fiel mir erst jetzt auf, dass es langsam auf das Ende des Tages zuging. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, die vergangen war, seit wir unseren Morgen im Café der planlosen Schreiber begonnen hatten.
"Eigentlich habe ich jetzt keine Luft mehr wieder einzuschlafen“, meinte Blue. „Hier oben fühle ich mich als könnte ich nicht vernünftig atmen.“
Ich zuckte nur mit den Schultern und überließ ihn seiner Misere. Wir würden bestimmt irgendwo in Technopolis unterkommen können. Zur Not konnten wir unsere Bekannte, Starlight, anrufen und darum bitten uns ein Hotel zu organisieren. Der Gedanke schien Oma auch gekommen zu sein, denn sie ließ sich von Hand ihr Handy reichen und tat genau das, woran ich gerade gedacht hatte.

3 Kommentare:

  1. Oh, mein Musstee und das rauchende Gehirn wurden aber schnell verarbeitet XD Ich sehe du bist immer dahinter bei den Fehlern ^^ Krass das du das nebenbei immer noch auf die Reihe bekommst, die musstest du doch im Nachhinein noch unterbringen oder <.<

    Überlegugn könnte zwar auch ein gewollter Verschreiber sein, genauso wie nie Nonnen... aber da bin ich mir nicht ganz so sicher.

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    1. Ja, ich gehe den Fehlerthread jeden Tag durch und überlege, ob ich das schon irgendwo unterbringen kann. :)

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    2. Respekt, Respekt... ganz schöner Aufwand.

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