Samstag, 7. November 2015

5. Kapitel



Wir konnten sofort erkennen, dass wir dem Großen Roten Knopf des Verderbens näher kamen, als sich die Anzahl an Teppichen in der Luft verzehnfachte. Mit ein paar von ihnen wären wir beinahe zusammengestoßen, was Blue jedes Mal einen Angstschrei entlockte. Schließlich schafften wird es allerdings doch zu landen und folgten den Menschenmassen in ein großes Gebäude.
Schon auf dem Hinweg hörte ich um mich herum viele unterschiedliche Sprachen. Das Problem mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens schien das ganze NaNo-Land zu betreffen und nicht nur unsere Region, da sich eben viele Leute aus den verschiedenen Regionen zusammengefunden hatten, um ihr Glück als Ersatzwächter zu versuchen.
Es gab einige deutsche Unterschiede. Allein von der Kleidung her ließ sich nie sagen woher jemand kam, denn das schien eher vom Genre abhängig zu sein, das die Autoren schrieben. Ich hatte wieder meinen normalen blauen Umhang an. Andere Fantasy-Schreiber konnte ich daran erkennen, dass sie wie Magier aussahen, oder Ähnlichkeit mit Hobbits hatten (zumindest von der Kleidung her - oder den großen Füßen). Die Steampunk-Leute hatten Flugbrillen und Zahnräder auf der Kleidung, ein paar Krimi-Schreiber liefen in Sherlock-Holmes-Aufmachung durch die Gegend, die Science Fiction-Leute sahen ein wenig futuristisch aus. Dazwischen gab es jeden erdenklichen Kleidungsstil, von normal bis zu verrückt bis zu Leuten, denen ein Schwan aus dem Mantel wuchs. Aber das alles kannte ich ja schon von Schreibstadt.
Der ganze Strom aus Menschen bewegte sich auf ein Gebäude zu, das, wie nicht anders zu erwarten, Säulen hatte und ein wenig Ähnlichkeit mit einem griechischen Tempel aufwies. Alle wichtigen Gebäude dieser Region schienen vom gleichen Architekten gebaut worden zu sein.
Mehrere Pilzizisten, am pilzförmigen Abzeichen auf ihren Uniformen zu erkennen, wiesen die Menge immer wieder in ihre Schranken und ließen uns schneller passieren. Ein sehr wichtig aussehender Mann – ich machte das an den ganzen Abzeichen fest, die sich auf seiner Uniform tummelten und an dem riesigen Schnauzbart, den er zur Schau stellte – kommandierte die Pilzizisten herum und sorgte dafür, dass alles seine geregelten Bahnen lief.
„Wer ist der da?“, fragte ich meine Oma.
„Das? Das ist der Pilzeimajor. Allein die Tatsache, dass er abgestellt wurde, um den Knopf zu bewachen, zeigt wie ernst die Lage ist.“
„Und wer sind die?“
Ich deutete auf einige Pilzizisten in dunkleren Uniformen, die gefährlich aussehende Waffen an ihren Gürteln trugen.
„Das sind Poziwisten. Sie sind eine spezielle Eingreiftruppe der Pilzizei, die nach der Großen Plotbunnyinvasion aufgestellt wurde. Insbesondere soll die wohl Rauchninjas bekämpfen, aber jetzt scheint sich ihre Mission ein wenig geändert zu haben."
Sobald wir das Innere des Gebäudes betraten, was nur nach einer Menge Drängeln und Schieben der Fall war, bekamen wir auch den Pausenraum der Pilzizisten zu sehen. Dieser war groß mit der Aufschrift „Refungium“ versehen worden und man konnte mehrere Pilzizisten sehen, die sich auf großen Sofas räkelten, Kaffee tranken, oder Doughnuts aßen.
Als ich das erste Mal einen Blick auf die Wachen werfen konnte, die den Großen Roten Knopf des Verderbens bewachten, musste ich unweigerlich kichern. Die beiden hatten Augenbrauen, die locker als Büsche durchgehen konnten.
Ein Mann, der in der Schlange vor mir stand bemerkte mein Gelächter und begann ebenfalls zu grinsen. „Das sind die „Eyebros“ erklärte er mir auf Englisch. „Du kannst dir sicher denken woher der Name kommt.“
„Allerdings.“
Von hinten wurde ich von jemandem geschubst, den meine Oma daraufhin als Hunterkopf bezeichnete. Das schien, laut ihrer Erklärung, ein deutsch-englischer Jäger zu sein.
Generell schien alles, was Beine hatte, gekommen zu sein, um sein Glück mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens zu versuchen. Wobei… Beine schienen nicht unbedingt von Nöten zu sein. Weit vorne hatte sich ein selbstfahrendes Auto eingereiht. Es nahm so viel Platz ein, dass die Absperrung extra für das Fahrzeug erweitert werden musste. Es schien nervös zu sein, denn es verlagerte ununterbrochen sein Gewicht von einem Reifen auf den anderen. Als es endlich an der Reihe war drehte es sich, wie es schien von selbst, auf den Knopf. Anscheinend konnten selbst Autos dem Knopf nicht widerstehen.
Ein kleiner Tumult brach aus, als ein Mann den Knopf mit den Worten „It’s very nive – very knife indeed“, bedachte, ein Messer zog und begann auf das Ding einzustechen. Die Pilzizisten griffen sofort ein und der Mann, der immer noch versuchte verzweifelt den Knopf zu erreich, wurde abgeführt.
„Die haben hier extra ironsichere Zellen“, erklärte meine Oma mir. „Die sind sowohl eisensicher, sodass sein Messer wohl nicht viel ausrichten wird, als auch ironiesicher. Man kann nie wissen, wann diese Eigenschaft mal nützlich sein könnte."
Einige der Menschen schüttelten den Kopf und murmelten etwas von „ordnungstrue“, was sich wohl auf die deutschen Pilzizisten bezog. Es war interessant zu sehen wie man in anderen Ländern wahrgenommen wurde.
„Das Gebäude beinhaltet nicht nur den Großen Roten Knopf des Verderbens. Ganz tief unter der Eingangshalle hier gibt es Verliese, in denen die Inneren Lektoren und Inneren Editoren über NaNoWriMo eingeschlossen werden können. Man kann sich dafür eintragen. Ich habe das mal ein Jahr gemacht“, erklärte meine Oma.
Ja, sie konnte manchmal ziemlich kritisch sein - vor allem was ihre eigenen Texte anging.
„Mein Editor hat es mir ein wenig übel genommen, aber sobald er mein NaNo-Manuskript gesehen hat, war er wieder mit Feuereifer bei der Sache.“
Bei der Erinnerung grinste meine Oma und stützte sich wieder auf ihren Regenschirm. Sie bekam einige seltsame Blicke ab, als die Hand aus ihrer Manteltasche krabbelte und sich auf ihrer Schulter niederließ. Noch entgeisterter wurden die Blicke als die Hand den Hut zurückrechte, als dieser verrutsche.
Die Schlange bewegte sich kriechend vorwärts. Nach einer Weile taten mir die Beine weh und langsam wünschte ich mir, dass ich doch den Vampirroman in dem Buchladen gekauft hätte. Dann hätte ich jetzt wenigstens etwas zum Lesen. Alternativen wären zum Beispiel Fluffles zu überarbeiten, oder eine neue Geschichte zu planen – doch ich hatte keinen Laptop und keine Aufzeichnungen dabei.
NaNoWriMo hatte mich so richtig ins Schreibfieber gebracht. Ich hatte Lust gleich noch eine Geschichte anzufangen, auch wenn ich vielleicht nicht unbedingt 50.000 Wörter in einem Monat schreiben würde. Das in zwei Monaten zu tun würde auch reichen und ich würde zwischendurch noch Zeit haben Fluffles weiter zu überarbeiten und alles nachzuholen, was ich den November über im richtigen Leben verpasst hatte. Sowohl meine Freunde, als auch die Schule hatten ein wenig leiden müssen.
Die meisten meiner Freunde hatten es nicht nachvollziehen können, dass ich mich prakitsch einen Monat lang zusammen mit meiner Oma weggeschlossen hatte, um wie eine Blöde auf einen Laptop einzutippen. Dann wiederum hatten sie keine Ahnung davon wie süchtig machend das alles sein konnte.
Das Problem der fehlenden Beschäftigung wurde gelöst, als ein Mann ein paar Plätze hinter uns mitbekam wie ruhelos ich wurde. Er schenkte mir zuerst ein zögerliches Lächeln und dann einen Schwung Papier und einen Stift. Ich sollte mir wirklich angewöhnen immer ein wenig Schreibmaterial dabei zu haben.
Egal was meine Oma gesagt hatte, ein Band zwei zu Fluffles‘ Geschichte hatte sich bisher immer noch nicht eingestellt, also skizzierte ich einen Plot, in dem es um eine jugendliche Hexe ging, die sich in einer Welt aus Märchen behaupten musste. Bisher war das alles noch recht unausgegoren, aber man konnte ja nie wissen. Pantsen hatte bei Fluffles gut funktioniert; wer konnte schon wissen was alles aus meinem neu entstandenen Plotbunny werden könnte? Und selbst wenn es nichts wurde, ein paar Plotbunnys, die im November keinen Autor gefunden hatten, gab es in der Plotbunnyauffangstation.
Selbst durch den Schwung neuer NaNos, hatten wir der Bunnyinvasion nicht ganz Herr werden können. Der Großteil der Bunnys hatte tatsächlich einen Wrimo gefunden, der sich bereit erklärte sie zu schreiben. Allein diese Zusicherung hatte die meisten recht lieb und pflegeleicht werden lassen. Solange man sie ab und zu mit Wortsalat fütterte, konnte man sie ganz gut halten.
Die etwas lebhafteren Exemplare wurden in eine Auffangstation gegeben. Vielleicht konnte ich, wenn das alles hier vorbei war, mal vorbeischauen und eins von ihnen adoptieren. Ein Steampunk-Bunny wäre nett. Oder, zur Entspannung, einfach ein Chick-Lit Bunny.
Durch meine Planerei verging die Zeit so schnell, dass ich erst bemerkte, dass wir bald an der Reihe waren, als ein Vikinger mit einem Hammer immer wieder auf den Knopf einschlug und er von einigen Pilzizisten beruhigt werden musste. Mittlerweile war ich mir nicht mehr so sicher, dass wir der Aufgabe gewachsen waren. Jede einzelne Person (oder Auto), die sich bisher dem Großen Roten Knopf des Verderbens genähert hatte, war ihm komplett verfallen.
Die einzigen, die von dem ganzen Spektakel relativ unbeeindruckt schienen, waren die beiden Wachen, die Eyebros. Wenn man sie von Nahem sah, konnte man defninitv sehen, dass sie Brüder waren. Sie hatten außerdem einen genervten Ausdruck auf dem Gesicht, was sich dadurch erklären ließ, dass sie jedes Mal, wenn jemand den Knopf drückte, ihn zurückdrücken mussten, nur damit die nächste Person das alles wiederholen konnte. Ihr Job bestand darin tagein tageaus auf denselben Knopf zu drücken. Langsam konnte ich nachvollziehen warum man bei sowas anfing zu streiken.
Nachdem eine Fee mit schillernden Flügeln und Blätterkleid unter lautem Kreischen wieder und wieder freudig den Großen Roten Knopf des Verderbens gedrückt hatte, war meine Oma dran. Sie rückte noch einmal ihren Hut zurecht, gab ihrer Hand ein high five und marschierte resolut auf das Podest zu. Ein Raunen ging durch die Menge, als einige Leute ihren Regenschirm als den Starb erkannten und allen, die es nicht wussten, die Geschichte erzählt wurde, wie wir die Region Deutschland vor einer Plotbunny-Invasion gerettet hatten. Mittlerweile hoffte ich fast, dass diese Geschichte irgendwann alt werden würde.
Die ganze Halle schien den Atem anzuhalten, als meine Oma sich vor den Knopf stellte und ihn ansah als wollte sie ihn niederstarren. Sie hielt einige Sekunden aus, Schweiß sammelte sich auf ihrer Stirn – und dann drückte sie den Knopf.
Ein Seufzer der Enttäuschung ging durch die Menschenmenge und alle kehrten zu ihren vorherigen Gesprächsthemen zurück. Immerhin beließ meine Oma es bei dem einen Versuch und ging würdevoll zur Seite, um auf den Rest unserer Truppe zu warten.
Blue war als nächstes dran. Er schaffte es nicht einmal ein paar Sekunden, sondern fing sofort an freudestrahlend den Knopf zu drücken.
Sobald ich auch nur ein paar Meter näher an den Großen Roten Knopf des Vederbens herankam, wusste ich, dass es auch bei mir nichts werden würde. Selbst von hier aus spürte ich den magischen Sog, der von dem Ding ausging, die unweigerliche Gewissheit, dass ich den Knopf drücken würde, dass ich ihn drücken musste.
Trotzdem stellte ich mich vor ihn hin, versuchte Widerstand zu leisten und scheiterte vollkommen, als auch ich nach wenigen Sekunden dem Knopf erlag. Am liebsten hätte ich immer wieder auf ihn eingehauen, sobald die Exebros ihn wieder in seine Ausgangsposition zurückgebracht hatten, doch so viel Stolz hatte ich zum Glück noch übrig.
Hannes, der von meiner Schulter gesprungen war, schien das anders zu sehen. Er hockte auf dem Podest und sprang jedes Mal wenn einer der Exebros den Kopf zurückgedrückt hatte, noch einmal darauf. Ein Pilzizist musste ihn irgenwann zur Seite ziehen und mir in die Hand drücken, mit der Mahnung die anderen Leute jetzt vorzulassen.
„Das war wohl nichts“, murmelte er enttäuscht.
Unsere gesamte Truppe stand am Rande des Schauspiels und sah zu,  wie der Rest der Menschenschlange aufrückte, sodass jeder seine Chance bekommen würde. Ein wenig erinnerte mich die Situation an eine surreale Darstellung der König Arthur Legende und Excalibur im Stein.
„Niemand von uns konnte widerstehen. Und es sieht nicht so aus als würde es den anderen hier besser ergehen“, seufte auch ich und Blue schüttelte den Kopf.
„Was soll jetzt nur aus unseren Geschichten werden, wenn die Wachen tatsächlich anfangen zu streiken? Ich meine… sogar ich würde zu gerne auf diesen Knopf drücken, wenn niemand da ist, um ihn zu bewachen. Es wird gar nicht anders kommen können. All unsere NaNo-Geschichten werden verschwinden.
„Nicht unbedingt“, sagte meine Oma plötzlich.
Erneut ging ein Raunen durch die Menge. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um zu erkennen, was sich beim Knopf gerade abspielte. Die Menschenmenge hatte bereits die Lücken geschlossen, durch die wir die Traube verlassen hatten. Gerade so konnte ich weißes, flauschiges Fell ausmachen, das direkt vor dem Podest stand.
Als die Menge ehrfürchtig Platz machte, erkannte ich, dass meine erste Vermutung korrekt gewesen war. Vor dem Podest stand Freundschaf, kaute mit einem abwesenden Ausdruck auf einer herausgerissenen Teppichfranse und ignorierte den Großen Roten Knopf des Verderbens völlig.
„Wartet mal, vielleicht kommt es einfach nur nicht dran“, mutmaßte einer der Eyebros.
Um seine Theorie zu überprüfen, hob er es hoch. Sein Gesicht bei dem Versuch war urkomisch. Man sah es Freundschaf zwar nicht an, aber da es tagein, tagaus immer nur fraß, war es nicht gerade das leichteste Schaf.
Freundschaf war nun Nase an Nase mit dem Großen Roten Knopf des Verderbens. Das einzige, was es jedoch dazu zu sagen hatte, war ein gelangweiltes „Mäh“, während es mit den Beinen strampelte, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen.
Der eine der Exebros gewährte ihm schließlich diesen Wunsch und es trottete zu uns herüber und hockte sich, immer noch auf der Teppichfranse kauend, neben uns. Dabei ignorierte es die ehrfürchtigen Blicke, die ihm von allen Seiten zugeworfen wurden.

1 Kommentar:

  1. Die Szenerie mit Hannes und Freundschaf ist einfach nur zu komisch XD Ein paar Rechtschreibfehler hast du übersehen <.< aussehden und schient im ersten Teil des Textes hab ich mir noch gemerkt, aber lies es dir noch mal durch ^^

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