Donnerstag, 5. November 2015

4. Kapitel



Fakir-Ferkehr – fliegen fogelsgleich!, war auf dem Schild zu lesen, das auf Kopfhöhe direkt neben mir angebracht war. Ein Weiteres, auf das Blue immer wieder schielte, kündigte in fröhlichen Farben die Warnung Forsicht, Fallgefahr! an.
Eine lange Schlange von Menschen stand sich vor uns. Selbst mit Mr. Ian Woons Bescheinigung, mussten wir warten bis wir an der Reihe waren. Während dieser Zeit hatten wir genug Zeit uns umzusehen und Blue hatte genug Zeit, um vollkommen panisch zu werden. Da sagte noch einer ich stellte mich an, wenn es um den Gesunden Menschenversand ging.
„Muss das wirklich sein? Steph! Ein Fliegender Teppich Service? Du weißt wie sehr ich Fliegen hasse; erinnere dich an den Rofl-Copter!“
Doch alles Flehen war umsonst. Blue sah sich erneut um und als die Schlange vorrückte, erhaschten wir alle einen Blick auf die nächsten Schilder. Ich wunderte sich, denn was ich sah, wunderte mich zutiefst.
Blue ging es wohl ähnlich. „Steph! Wenn du schon mit solchen Formulierungen anfängst, wird das nichts!“
„Ach lass mich doch“, grummelte es leise und einige der Menschen um uns herum drehten ihre Köpfe, um den Ursprung der Stimme zu suchen.
„Mach dir nicht so viele Sorgen, Blue. Schau mal: Freundlicher Fakir-Ferkehr für Fielflieger“, las ich vor. „Das hört sich doch nicht schlecht an.“
„Oh doch, das tut es“, beschwerte er sich. „Vor allem das Fielflieger macht mir Sorgen. Ganz zu schweigen von Schildern wie dem da.“
Frieren forprogrammiert.
Ja, das hörte sich wirklich nicht besonders gut an. Aber ehrlich, dann zog er sich eben mal eine dickere Jacke über seine zerfledderten Klamotten an. Es wurde langsam wirklich Winter und wenn ich ihn in seinem T-Shirt nur sah, wurde mir schon jetzt kalt.
Sache wie Funktioniert für Flieger fon fünfzehn fallend fielleicht falsch oder Fragen für Fakire forne ferfassen verwirrten mich dann doch ein bisschen, allerdings nur bis meine Oma mitteilte, dass das vermutlich nur bedeutete, dass Personen unter 15 nicht fliegen dürften und, dass man vorne am Tresen Fragen stellen konnten. Die seltsame Grammatik sprach ich am besten nicht mehr an.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis wir endlich an der Reihe waren und einen lächelnden Mann vor uns hatten.
„Herzliche willkommen bei Ihrem Fakir-Ferkehr. Was kann ich für Sie tun?“
„Mr. Ian Woon schickt uns“, erklärte meine Oma sofort. „Wir buchen einen Fakir und einen Teppich für einige Tage oder länger.“
Das ließ den Mann doch ein wenig erstaunt aussehen, denn das Lächeln wich einer entgeisterten Gesichtsausdruck. „Einige Tage? Das wird aber teuer…“
„Die Zukunft des NaNo-Landes steht hier auf dem Spiel!“ Hier war es tatsächlich von Vorteil sich wie ein Frosch aufblasen zu können, denn das verlieh Hannes‘ Worten das entsprechende Gewicht.
„Mäh“, machte Freundschaf.
Die Augen des Fakirs wurden größer, als er den Frosch und das Schaf entdeckte.
„Kommen die auch mit?“
„Natürlich!“, beschwerte sich Hanns. „Nur weil ich wie ein Frosch aussehe…“
Grummelnd verkroch er sich in meinen Haaren. Dass ich das nicht ausstehen konnte, hatte sich seit der Plotbunnyinvasion nicht geändert, aber ich ließ es ihm mal durchgehen.
„Wenn Ihre Gruppe so viele Leute umfasst, schlage ich Ihnen das Familienpaket „Wohnzimmer deluxe“ vor und werde unseren besten Flieger für Sie freistellen solange sie ihn brauchen. Heinrich!“
Ein Mann, der so gar nicht nach einem Heinrich aussah, kam aus einem Raum, der wohl ein Pausenraum für die Flieger war. Er musterte unsere Gruppe kritisch, bis seine Augen an meiner Oma hängen blieben und er sich zu einem leichten Lächeln durchrang.
Der Mann vom Tresen diskutierte eine Weile mit ihm, doch schließlich nickte Heinrich und wir wurden in den hinteren Teil des Gebäudes durchgewunken. Heinrich führte uns in einen Innenhof, in dem, einer neben dem anderen, mehrere Tepiche aufgereiht waren.
Blue war mittlerweile käseweiß geworden, was auch unserem Flieger nicht entgangen war.
„Keine Sorge, ich kann ich sie beruhigt in die Hände der Fluchgesellschaft geben“, meinte er.
„Fluchgesellschaft?“ Blue war, falls möglich, noch weißer geworden. Wenn er noch mehr Farbe verlor, würde er jedem Gespenst alle Ehre machen.
„Ja, allerdings. Das ist unsere Gesellschaft. Wir fliegen unter ihrem Banner und Namen. Es ist noch nie etwas Ernsteres passiert. Ein paar Abstürze hier und da, aber die meisten Leute überleben.“
„Beruhigt würde ich mich nicht gerade nennen…“ Blue klammerte sich an den Türrahmen, während wir anderen in den Innenhof traten, um uns einen Teppich auszusuchen.
„Was zum Teufel ist das da unter dem Teppich?“, fragte ich meine Oma.
„Das sind dunkle Stoffhoden“, erklärte sie. „Frag nicht.“
Wenn ich es mir recht überlegte, wollte ich es vielleicht wirklich nicht wissen.
„Lasst mich mal rechnen…“, meinte Heinrich. „Eine Rentnerin, ein Erwachsener, ein Teenager, zwei Haustiere. Habe ich etwas vergessen?“
„Haustier?!“, explodierte Hannes. „Ich bin der Prinz der Fantasy-Gegend! Was fällt dir eigentlich…“
Ich versetzte ihm einen leichten Stups, der wohl doch nicht so leicht gewesen war wie ich gedacht hatte, da er dadurch beinahe von meiner Schulter flog. Immerhin hatte er aber aufgehört sich zu beschweren. Was kümmerte es ihn als was er mitflog, solange wir von der Stelle kamen?
Unser Flieger sah nach diesem Ausbruch ein wenig verstört aus, fing sich aber bald wieder und begann irgendwelche seltsamen Rohre zu dem Teppich zu leiten, der anscheinend in den nächsten Tagen unser Transportmittel werden würde. Als ich ihn mir näher ansah, entdeckte ich kleine Hasen, die überall eingearbeitet waren. Einer davon sah ein wenig wie Fluffles aus. Ich nahm das mal als ein gutes Zeichen.
„Was genau tun sie da?“, fragte ich schließlich, als ich meine Neugier nicht mehr im Zaum halten konnte.
„Ich schließe die Sauserstoffversorgung an. Unsere Teppiche fliegen alle mit Sauserstoff. Das macht sie besonders schnell.“
Blue gab ein mitleiderregendes Wimmern von sich und ich beschloss das Thema fallen zu lassen.
„Alle Passagiere zur Drachenschenke bitte einsteigen! Die abreisende Verbindung wird in Kürze starten!“ Ein Fakir ein paar Teppichreihen weiter half mehreren Leuten auf einen gigantischen Teppich, der sich unter dem Gewicht der Leute in der Mitte ausbeulte und eher Ähnlichkeit mit einem fliegenden Sack als einem Teppich hatte. Das konnte nicht bequem sein.
„Die haben es wirklich nicht so mit der Grammatik“, grummelte meine Oma.
Wenn sie meine Texte durchsah, was sie als Grammatikguru eine echte Hilfe. Im richtigen Leben konnte das manchmal ziemlich nervtötend werden.
Zwei Fakire, die offensichtlich gerade von einem Flug zurückgekehrt waren, schlenderten an uns vorbei und man konnte gerade noch den Gesprächsfetzen „…ansonsten wäre Laetitia vermutlich noch hinter den Kontrollschirmen eingeschlagen“ hören.
„Wer ist Leatitia?“ Blue sah aus als sei er kurz davor sich zu übergeben – und das, obwohl wir noch nicht mal in der Luft waren!
Immerhin hatte diese Art zu reisen den Vorteil (mal davon abgesehen, dass höchstwahrscheinlich dieses Mal nicht ich diejenige war, der zum Kotzen zumute war), dass man sich nicht in einem geschlossenen Raum befand, wenn einem übel wurde. Wobei ich mir ein wenig Sorgen um die Leute machte, die möglicherweise unter unserer Reiseroute herumliefen.
„Laetitia ist eine Teppich-Fliegerin. Sie hat letztens eine Bruchlandung hingelegt und hat beinahe unsere Computer mitgenommen. Sie ist ein wenig… eigenwillig was ihre Flugkünste angeht. Manchmal denke ich, sie hätte lieber zu den Kusntfliegern gehen sollen.“
Ein Blick auf Blue brachte ihn zum Schweigen. Der klammerte sich immer noch an einen Türrahmen und ich hoffte, dass wir ihn nicht mit einem Schweißbrenner von dem Ding würden trennen müssen. Seine Augen hatte er zum Glück die meiste Zeit geschlossen, sodass er das raschsüchtige Glitzern in den Augen der Fakire nicht sehen konnten. Sie alle sahen aus, als hätten sie nichts gegen ein bisschen Geschwindigkeit, wenn auch nicht alle so leichtsinnig wie diese Laetitia zu sein schienen.
Ein anderes Merkmal, das die Fakire von den Passagieren unterschied, waren die hohen, steifen Mützen, die ein wenig an die Hüte aus Harry Potter erinnerten, nur in kunterbunt.
„Hat es etwas Bestimmtes mit den Mützen auf sich?“ Ich konnte meine Neugierde doch nicht zähmen, auch wenn das dazu führen könnte, das Blue vor uns allen in Ohnmacht fallen würde. Naja, so würden wir ihn wenigstens auf den Teppich bekommen...
„Das sind Flitzmützen“, erklärte der Fakir, der immer noch damit beschäftigt war den Teppich mit Sauserstoff aufzutanken. „Damit lässt sich die Geschwindigkeit erhöhen.“ Sobald er den Sauserstoff fertig eingefüllt hatte, befestigte er unser Gepäck an den Stoffhoden.
Danach verkniff ich mir alle Fragen, in der Hoffnung es doch noch vermeiden zu können Blue auf einen der Teppiche zerren zu müssen. Tatsächlich überwand er seine Angst erst, als ich ihn als Feigling bezeichnete.
„Alle festhalten, bitte“, forderte der Fakir.
Durch den Teppich ging ein Schaudern. Alle Teppichfransen an den Seiten sträubten sich und sahen aus wie winzige Tentakeln, die ihre Spitzen in alle Richtungen ausstreckten. Der Teppich warf Wellen, es ging ein Ruck durch das ganze Gefährt und dann sah ich den Boden unter uns verschwinden. Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass wir mit niemandem zusammenstießen.
Ich wusste sofort, dass ich mein neues Lieblingstransportmittel gefunden hatte. Der Teppich war tatsächlich erstaunlich schnell dafür, dass er vier Menschen, ein Schaf und einen Frosch transportieren musste. Überall gab es Schlaufen, an denen man sich wahlweise festhalten, oder festbinden konnte. Ersteres taten meine Oma und ich. Letzteres hatten wir genutzt, um Freundschaf sicher auf dem Teppich unterzubringen und Blue hatte sich freiwillig dazu entschieden. Unter uns sah ich die Erde vorbeiziehen, über uns waren nur Wolken. Zum Glück hatte ich meine Winterjacke mitgenommen, denn der Spruch Frieren Forprogrammiert  hatte sich bewahrheitet.
Das einzige, was mir Sorgen bereitete, war die Art und Weise, wie der der Fakir meine Oma ansah. Diesen Blick hatte ich bei Lurz gesehen und der bedeutete eigentlich, dass jemand sich in meine Oma verguckt hatte. Ich hatte das Gefühl, wenn Lurz das wüsste, würde der Fakir seines Lebens nicht mehr froh werden. Meine Oma schien davon nichts mitzubekommen, denn sie hielt dem Fakir gerade einen Vortrag über korrekte Grammatik. Blue krallte sich unterdessen in der Mitte des Teppichs fest. Er hatte die Augen geschlossen und machte sie nur auf, um alle par Sekunden einen nervösen Blick auf Freundschaf zu werfen, das begonnen hatte auf den Teppichfransen zu kauen. Hannes hockte in meiner Manteltasche und sah heraus. Allerdings schmollte er noch immer wegen der Tatsache, dass er als Haustier gebucht worden war.
Alles in allem erschien mir die Reise wie ein Traum. Denn wer hatte nicht mindestens einmal davon geträumt fliegen zu können? Die Umstände waren zwar ein wenig anders (zum Beispiel hätte ich mir nie träumen lassen, dass einer meiner Mitreisenden ein Schaf sein würde), doch das Ergebnis war letztendlich dasselbe.
"Ich glaube mir wird schlecht", kommentierte Blue das Ganze nur, als ich ihm davon erzählte.

4 Kommentare:

  1. Armer Blue, der kann einem ja fast leidtun.
    Aber da Mia im letzten Teil auch den gesunden Menschenversand ertragen musste, ist es nur gerecht, dass dieses Mal ein anderer dran glauben muss.

    Jedenfalls, wieder ein sehr schönes Kapitel :3

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  2. Ich fühl mich immer mehr mit Blue verbunden... bis auf die Höhenangst, die hat zum Glück mein Bruder geerbt. Ach, herrlich diese Szene... hat zum Glück nur ein halbes Jahr gedauert bis sie aufs Papier gebracht wurde.

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  3. Nachdem Laetitia es aus meinen Verschreibern hier her geschafft hat, bin ich echt am Überlegen, ob ich ihr quasi als Hommage einen Wandteppich verpassen soll xD
    Ich mag den Fakir Ferkehr, auch wenn mir Blue leid tut.

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    1. Wenn mir Namen aus Verschreibern gefallen, übernehme ich die gerne mal. Vielleicht taucht sie irgendwann nochmal auf. Als Running Gag mit Teppichunfällen oder so. xD

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