Donnerstag, 19. November 2015

19. Kapitel



„Hallo, Mia.“
Nein, ich hatte mich nicht geirrt. Das war definitiv ihre Stimme, sanft, warm, aber gleichzeitig hatte sie jetzt einen kratzige Unterton, als hätte sie einen Nagel verschluckt, der ihr quer im Hals stecken geblieben war.
Auch das Gesicht war das von Phoenix. Der Teint war mies, aber immerhin war sie tot. Ansonsten sah sie genauso aus wie das letzte Mal als ich sie geshen hatte, wenn auch ohne die Streifen von Hefe, die in ihrem Haar und ihrem Gesicht geklebt hatten. Und ihre Augen... Ihre Augen waren nicht mehr so warm wie vorher. Es hatte ein Kälte in ihnen Einzug gehalten, die die lebendige Phoenix nicht besessen hatte. Die lebendige Phoenix war allerdings auch nicht durch den Tod und zurück gegangen.
„Hallo, Phoenix.“
Meine Stimme klang auch anders. Als wäre meine Kehle ein verstopfter Abfluss und es hatten sich alle Emotionen dort gesammelt, die ich je im Zusammenhang mit Pheonix gehabt hatte. Am stärksten waren sowohl Freude als auch Trauer.
Ich fiel ihr um den Hals und sie nahm mich in den Arm. Das Gefühl beobachtet zu werden verschwand.
„Ach Gottchen, Pheonix!“, rief meine Oma, die gerade so übertönt wurde von Blue, der einfach nur „Meine Fresse!“ erst schrie und dann vor sich hin murmelte „ach du meine Fresse, ach du meine Fresse.“
„Mäh“, machte Freundschaf und stupste Phoenix‘ Hand mit seiner Schnauze an. Vom Tisch, an dem wir vorher gesessen hatten, konnte ich das aufgeregte Quaken eines Frosches hören.
„Ich habe euch wirklich vermisst. Eigentlich wollte ich sofort kommen, nachdem Estelle mich zurückgeholt hat, aber ich musste mich erst unter Kontrole bekommen. Ich bin so froh, dass ihr das mit der Plotbunnyinvasion auch ohne mich gelöst habt.“
Es war schwer zu verstehen, was Phoenix sagte, denn es redeten immer noch alle durcheinander.
„Setz dich erstmal an unseren Tissch, wo du hingehörst“, meinte meine Oma. „Komm.“
Zusammen zogen wir sie zum Tisch hinüber, unter den Augen der gesamten Drachenschenke. Da hatten wir wohl eine ganze schöne Szene gemacht – nicht, dass es mich interessierte, denn Phoenix war wieder da, Phoenix war wieder da!
„Hier.“ Ich streifte die Feder ab und hielt ihr die Kette hin. „Die hattest du mir gegeben, aber jetzt bist du wieder da und deshalb bekommst du sie zurück.“
Pheonix hatte bereits nach den ersten Worten begonnen den Kopf zu schütteln. „Ich kann sie nicht zurücknehmen.“
„Doch, kannst du.“ Ich hatte die Kette wirklich lieb gewonnen, aber größtenteils war das nicht wegen der Magie, sondern weil sie sie einzige war, was mir von Phoenix geblieben war. Das konnte nur durch die echte Phoenix übertroffen werden und die hatte ich ja nun direkt vor mir - was hieß die Feder konnte sie behalten und Magie wirken konnte sie selbst. Dazu brauchte sie mich nicht.
„Nein, Mia, ich kann sie nicht nehmen.“ In ihren Augen blitzte Schmerz auf und sie schob meine Hand, die die Kette hielt, zurück. „Für mich wäre es nur eine normale Kette. Nur ein Andenken. Ihre Magie kann ich nicht mehr benutzen.“
„Aber… warum denn nicht? Und willst du sie nicht wenigstens als Andenken? Es war die Kette deiner Freundin…“
Die anderen hörten unserem Austausch gespannt zu. Blue hatte sich die Stirn zerfurcht, als würde er gerade selber darüber nachdenken warum Phoenix die Kette nicht annehmen konnte.
„Mia, die Kette zieht ihre Kraft aus deiner Lebensenergie. Lebensenergie. Ich habe keine mehr davon, denn ich bin tot.“
„Aber du sitzt doch direkt vor mir! Du lebst!“, widersprach ich ihr. Trotzdem hatte sich meine Hand wie von selbt um die Feder geschlossen. Noch hängte ich sie mir jedoch nicht um den Hals.
„Leben ist etwas anderes als untot. Untot bedeutet nur, dass ich nicht tot bin. Es bedeutet aber nicht, dass ich lebe und genau deshalb habe ich keine Lebensenergie mehr übrig, die ich für diesen Anhänger benutzen könnte. Behalte ihn.“
Ich starrte eine Minute lang auf die Metallfeder hinunter, nahm jede kleine Wölbung und Spitze in mich auf, wie ich es gemacht hatte als ich um Phoenix getrauert hatte, jeden Abend. Mittlerweile hätte ich diese Feder aus tausend anderen mit geschlossenen Augen herausfinden können. Schließlich nickte ich und hängte sie mir wieder um den Hals.
„Warum bist du nicht früher wiedergekommen?“, fragte meine Oma
„Ich musste mich erst unter Kontrolle bringen. Du weißt was Zombies essen, oder?“
Marga nickte, Blue und Hannes ebenfalls. Nur ich saß perplex da. „Öhm nein, weiß ich nicht.“
„Gehirn. Von Menschen. Normalerweise jedenfalls.“
„Was heißt hier normalerweise?“ Ich hatte immer noch keine Angst vor ihr, aber ich hatte Angst vor der moralischen Entscheidung mit jemandem befreundet zu sein, der eventuell eine Mörderin war.
„Keine Sorge. Estelle hat ein Substitut erstellt. Ich bringe niemanden um. Aber es ist schwierig. Besonders am Anfang war es sehr verlockend…“ Das kalte Funkeln in ihren Augen war wieder aufgetaucht. Dieser Hunger also war es, was sich verändert hatte und auch das, was Phoenix verändert hatte.
„Aber jetzt geht es wieder? Jetzt bleibst du und hilfst uns Freundschafs Verwandtschaf zu finden?“, fragte Blue mit großen Augen.
„Ja, ganz genau.“
„Hallo, Phoenix“, meldete sich Hannes zu Wort. „Wir kannten uns noch nicht so gut, aber vielleicht lässt sich das ja jetzt ändern.“
„Es wäre mir ein Vergnügen“, lächelte sie.
„Weiß Mr. Ian Woon es schon?“, fragte meine Oma und Phoenix schüttelte den Kopf.
„Nein, noch nicht. Niemand wusste davon außer Estelle. Als ihr das zweite Mal bei ihr vorbeigekommen seid, war ich auch mit im Haus. Ihr Hexenrabe Kasimir hat auf mich aufgepasst. Aber es war noch zu gefährlich für euch mich zu sehen. Außerdem war ich mir noch nicht ganze sicher, ob ich bleiben würde.“
„Bleiben?“
Ausnahmsweise verstand ich schneller als Blue was sie meinte. Sie hatte nicht gewusst, ob sie eine Untote bleiben wollte, oder, ob sie sich von Estelle zurück ins Grab schicken lassen sollte. Allein der Gedanke an die zweite Option drehte mir den Magen um.
„Aber jetzt bleibst du?“ Ich wollte lieber auf Nummer Sicher gehen.
„Ja, ich bleibe“, sagte sie und die Feder um meinen Hals wurde warm.
Die Gedankenspinne spieh ihre kleine blaue Kugel aus und wir alle waren auf einmal verbunden – wieder sechs Freunde, nicht fünf.
Mr. Ian Woon bemerkte die Veränderung sobald sie Verbindung bestand. „Phoenix?!“
Seine Gedanken wirbelten durcheinander wie Schneeflocken in einem Sturm. Dieses Mal war er derjenige, der sich nicht zurückhalten konnte und ihnen freien Lauf lassen musste, um die Situation begreifen zu können.
„Ja, ich bin zurück. Untot, aber zurück.“
„Untot?“
„Estelle hat mich zurückgeholt, die Hexe, der wir geholfen haben. Im Gegenzug hat sie eine Prophezeiung für die anderen gemacht und hatte Mitleid mit mir, weil ich wegen ihr gestorben bin. Also hat sie mich als Zombie wiedererweckt.“
Zombiephoenix zeigte einige wenige Gedanken davon wie es war als Zombie wiederaufzuerstehen. Ich war mir sicher, dass sie etwas zurückhielt, was zu schrecklich war um es zu zeigen, doch selbst was sie zeigte, war schlimm genug. Der Hunger, wenn man aufwachte. Die Orientierungslosigkeit. Die Abhängigkeit in der ersten Zeit von der Person, die einen erschaffen hatte. Das gespalten sein zwischen dem, was man war und dem was man sein könnte.
„Genug davon“, meinte sie nur und schottete ihre Gedanken ab. Sie war immer noch gut darin. Vielleicht sogar noch besser als vorher. Wenn Phoenix dicht machte, war das als würde ein Metalltor herunterklappen und alles Licht aussperren. „Ich spüre, dass ihr irgendeine Frage hattet, die ihr unbedingt stellen müsst.“
„Ja, stimmt!“, erinnerte sich meine Oma. „Woher hatten die Nonnen Freundschaf? Sie hatten Boten losgeschickt und die müssten eigentlich mit Neuigkeiten zurückgekommen sein, oder?“
Die Entschuldigung in seinen Gedanken kam bevor die Erklärung uns erreichen konnte. Ich wusste jetzt schon, dass es nicht funktioniert hatte, dass irgendetwas schief gegangen war. Oder zumindest, dass diese Spur eine Sackgasse war.
„Die Nonnen wisssen es selbst nicht“, meinte Mr. Ian Woon. „Eines Tages stand Freundschaf einfach vor den Toren, schaute niedlich und machte „Mäh“, um um Einlass zu bitten. Da haben sie es aufgenommen, aufgepäppelt und als es bemerkbar gemacht hat, dass es mit euch kommen will, haben sie es euch anvertraut.“
Super. Also wussten wir nicht mehr als vorher. Archiblad hatte uns ein paar Informationen gegeben, aber ein spezifischer Ort war leider nicht dabei. Laut ihm war das einzige Geschöpf, das vielleicht mehr über den Verbleib der Freundschafe wusste, die Einziege, die mit ihnen schon über Jahrhunderte befreundet war. Einziegen und Freundschafe schienen in etwa eine Beziehung wie Werrölfe und Werge zu haben. Wenn also jemand wusste man nach der Verwandtschaf suchen musste, dann war es die Einziege. Das Blöde war, dass man auch sie zuerst finden musste.
Die letzten Sichtungen waren wohl irgendwo in der Nähe von Romantika in der Romantik- und Erotikgegend gewesen. Dem Plan dort als nächste zu suchen, hatte niemand etwas entgegenzusetzen.
Wieder einmal wurden wir quer durchs NaNo-Land gejagt, ohne zu wissen nach was genau wir Ausschaue halten mussten und wo wir es letztendlich finden würden.Aber immerhin hatten wir jetzt Phoenix dabei.

Der Fakir staunte nicht schlecht, als er am nächsten Tag erfuhr, dass noch ein Mitglied zu unserer Gruppe gestoßen war und dass dieses Mitglied ein Zombie war. Zum Glück schien er nichts gegen Untote an sich zu haben, sondern verlangte nur einen Aufpreis ab jetzt für das schwerer gewordene Gewicht. Das Teppichmodell Wohnzimmer deluxe schien dem Gewicht jedoch gewachsen zu sein und so konnten wir am nächsten Morgen ohne Probleme losfliegen – sehr zum Ärger von Blue, der sich wohl erhofft hatte, dass die Ankunft von Phoenix zumindest einen Aufschub vom FF bringen würde.
Phoenix schien das Fliegen nichts auszumachen. Sie musterte nur Blue mit einem Stirnrunzeln, der sich wie immer in der Mitte des Teppichs festkrallte und die Augen geschlossen hatte.
„Das hier ist tatsächlich eine der sichersten Reisemöglichkeiten“, versuchte sie ihn zu beruhigen. „Auf der Straße kannst du überfallen werden, von Autos, Kutschen oder Pferden überfahren oder überrannt werden. Nach dem gesunden Menschenversand ist das hier die zweitsicherste Methode zu reisen. Das einzige, was dir hier passieren kann, ist entweder, dass man in einen Vogelschwarm gerät, oder in…“
„Eine Turmfalle!“, schrie der Fakir.
„Ja, genau. Eine Turmfalle. Aber die sind recht selten, also…“
„Nein!“, schrie der Fakir wieder. „Turmfalle voraus!!!“
Er bremste hart und wir alle purzelten durcheinander. Ich fühlte wie er versuchte den Teppich zu wenden; sehen konnte ich nichts, denn ich war mit meinem Gesicht direkt in Freundschafs Fell gelandet, das kläglich „Mäh“ machte und strampelnd versuchte wieder auf die Beine zu kommen.
Blues Kreischen war über allen Stimmen am deutlichsten zu hören. Als der Fakir eine scharfe Kurve nahm, flog Freundschaf von mir und ich hörte Phoenix‘ gedämpften Fluch als sie plötzlich die Wolle im Mund hatte. Dafür sah ich jetzt worauf wir zusteuerten. Es war kein schöner Anblick.
Wir flogen auf einen Turm zu, komplett schwarz von oben bis unten und egal in welche Richtung der Fakir wendete, der Turm schien immer wieder direkt vor uns aufzutauchen. In seinem Zentrum konnte ich sehen wie sich etwas bildete, ein Geschoss, das uns den Garaus machen sollte.
Wie hoch flogen wir? Würde es etwas bringen einen Sturzflug zu wagen? Jetzt, wo ich darüber nachdachte, bemerkte ich, dass der Fakir bereits versuchte uns an Höhe verlieren zu lassen. Doch der Teppich fühlte sich an als wäre er in Kunstharz gegossen und wir waren die kleinen Insekten, die im Inneren des Tropfens gefangen waren.
Von dem ganzen Geschrei wurde ich fast taub. Blue war nun direkt neben mir und brüllte in mein Ohr, Freundschaf mähte in mein anderes und alles begann sich zu drehen, als der Fakir einen letzten verzweifelten Spiralflug wagte, um dem Geschoss auszuweichen, das unweigerlich auf uns gerichtet war. Die Welt drehte sich, dann stand sie Kopf, unter mir Wasser, über mir Feuer, Feuer an meinem Hals und Feuer um mich herum, die Schreie meiner Freunde kamen aus weiter Ferne und wir fielen.

5 Kommentare:

  1. Da haben sich ein paar Feher eingeschlichen... ich nehme an das war schon eines der Kapitel die spät im Marathon geschrieben worden.

    Das konnte ur durch die echte Phoenix übertroffen werden/Ihre Magei kann ich nicht mehr benutzen/
    Allekin der Gedanke an die zweite Option drehte mir den Magen um/Die Gedankenspinne spieh ihre kleine blaue Kugel aus und wiR alle waren auf einmal verbunden

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    1. Danke. :) Ich habe sogar noch einen Fehler gefunden, den du auch nicht gesehen hattest. ^^
      Jaaaa, das war recht spät im Marathon. Deshalb war ich auch echt in Zugzwang, als mir aufgefallen ist, dass ich mir leider nicht überlegt hatte wie alle den Absturz überleben... ähem...

      Ansonsten: Geht's vom Schreibstil her denn noch? Wie immer kann ich das nicht gut beurteilen. Und wie du schon festgestellt hast, war ich zu der Zeit nicht mehr wirklich zurechnungsfähig. xD

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    2. Dafür, das du nicht wusstest wie es weiter geht, ist dir der Cliffhanger excelent gelungen!
      Über deinen Schreibstil musst du dir eigentlich auch keine Gedanken machen...
      So und jetzt schreib schön weiter, ich bin super neugierig auf das nächste Kapitel!
      LG Kaffeetassenhalter

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    3. Ich seh glaub ich auch nicht alle Fehler Kim ^^ Dafür les ich die Geschichte auch meistens etwas zu spät XD Aber ich find einfach nicht früher die Zeit <.<
      Dachte ich mir... hehe, die Stellen kenn ich zur Genüge, zum Glück haben meine Chars da immer so gute Ideen.

      Also dafür das es der Marathon war geht es noch voll klar... ich kann dir ja mal meine Originalfassung der letzten paar Seiten zukommen lassen, das ist weit verrückter glaub ich. Man merkt einen leichten Einbruch, aber zu verkraften, wenn man weiß unter welchen Bedingungen das entstanden ist... alles im grünen Bereich.

      Vielleicht ist der Cliffhanger genau deswegen excelent gelungen... ich bin auch immer gespannt wies weitergeht.

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    4. Aus Interesse und falls ich das je überarbeiten will: Inwiefern Einbruch? Genau das ist ja immer mein Problem, dass ich nicht genau sagen kann was sich verändert hat...

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